Quintessenz-Aspekt 3
ist Teil meines neuen Buches,
das im Januar 2020 erschienen ist.
Jemand, der Demokratie als zu „regelnde Sache“ versteht, gehört zur Funktionselite des Systems, die dessen politisches Regelwerk bedient. Für diese Regelwerkbediener sind schon politische Wahlen eine lästige Angelegenheit.
(__Siehe dazu: « Der Brexit als Ausdruck ›momenthafter‹ Demokratie ».__)
Tatsächlich aber bedeutet Demokratie Partizipation _aller_ Bewohner eines Staates. Natürlich bedarf es dazu eines entwickelten politischen Bewußtseins. So etwas läßt sich lernen, und nicht nur das: ernsthaftes Tun im Sinne der Gesellschaft kann Freude bereiten, vorausgesetzt es wird schon im Kindergarten, also spielerisch vermittelt, denn spielerisches Lernen steht nicht im Widerspruch zu ernsthaftem Tun im Sinne der Gesellschaft, wird dabei die richtige Frage gestellt:
Wie haben wir die gesellschaftlichen Verhältnisse zu gestalten, daß jeder sich entfalten kann, _ohne_ das auf Kosten anderer zu tun?
Diese Frage muß praktisch — bspw. durch Rollenspiele ausprobiert — beantwortet werden. Entscheidend ist dann, daß die Ergebnisse, so sie erfolgreich zur Lösung dieser Frage beitragen, in einen gesamtgesellschaftlichen Prozeß einmünden. Gleiches ist auf der Ebene allgemeiner Schulbildung auszuprobieren, bzw. zu beantworten. Gleiches auf der Ebene der Erwachsenenbildung. Gleiches auf der medialen Ebene. — Auf der politischen Ebene aber sind die auf diese Weise gefundenen Ergebnisse gesamtgesellschaftlich umzusetzen.
Die sich daraus ergebenden Perspektiveröffnungen
würden jedenfalls eines schnell deutlich werden lassen:
wie weit weg von demokratischen Verhältnissen
diese Gesellschaft tatsächlich ist.
Übrigens erzählt schon Aristoteles, daß ein politisches Wahlsystem — und ein solches haben wir — zu oligarchischen Verhältnissen führt, die ich — nicht nur in Abgrenzung zu Aristoteles — lobbykratische nenne. Wie lange das dauert, ist eine Frage der Zeit — in Abhängigkeit von den tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnissen, ob also Partikularinteressen noch kaum bedient werden oder schon dominant geworden _oder_ gar schon zum Prinzip politischen Handelns geworden sind. Sind die aber dominant geworden, kann nicht mehr von Demokratie gesprochen werden, denn die ist dann nur noch zu simulieren, da andernfalls die Partikularinteressenbedienung wieder beseitigt würde.
Haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse aber bereits im partikularinteressenbedienenden Sinne ver_festigt, bedeutet das, daß diese dann durch ein „Drehen an Reformstellschräubchen“ nicht mehr zu ändern sind. Denn wer sollte das dann noch tun?
Eine « transgene Linke » etwa?
Da aber diese Entwicklungsrichtung typisch für eine Gesellschaft mit politischem Wahlsystem ist, d.h. typisch fürs bürgerliche System, kann für die Funktionselite dieses Systems Demokratie kein Ideal sein. Folglich stellen demokratische Prozesse für die Funktionselite des bürgerlichen Systems „Probleme“ dar, die zu „lösen“ sind — vergleichbar mit den Problemen, die ein Unternehmer zu lösen hat, will der sichergestellt sehen, daß seine Waren zu den Kunden kommen. Deshalb ist es für diese Funktionselite klar, daß solchen Prozessen am besten über ein von _ihr_ gesteuertes Regelwerk beizukommen wäre.
In der Tat, betrachtet man es aus der Perspektive der Funktionselite des bürgerlichen Systems, ist ein solches Bestreben verständlich, denn was ist die wirtschaftliche Basis des bürgerlichen Systems, wenn nicht eines, das zwingend ein entsprechendes „profitorientiertes Regelwerk“ benötigte? Wie sollte man aber ein solches Regelwerk anders steuern können als über ein politisches Wahlsystem, in dem lobbyistisch auf die von der Bevölkerung zu Wählenden Einfluß genommen wird?
(__Wenn die zu Wählenden nicht sowieso schon
selbst Lobbyisten sind,
bzw. zumindest wissen
— jenseits der vorzüglich in Wahlkrämpfen
sich ereignenden Phrasendrescherei —,
was von ihnen erwartet wird,
wollen die Karriere machen.__)
Es ist nun einmal so: Ein politisches Wahlsystem führt letztlich zur Bedienung von macht_vollen Partikularinteressen.
Demnach ist es ein Fehler, etwas als etwas zu bezeichnen, das es nicht ist, da erst so der Eindruck entstehen kann, es sei „am Ende“ oder ob_solet geworden. Denn das gilt auch für die Demokratie: Die Demokratie ist nicht „am Ende“: Wie sollte die „am Ende“ sein, wenn sie überhaupt noch nicht praktiziert wurde — sieht man von Ansätzen ab?
Hingegen
ist
(__wieder einmal__) das bürgerliche (__profitorientierte__) System am Ende, was sich, u.a., an seiner Fassade zeigt, von der die Etikettierung: „repräsentative Demokratie“, ab_gefallen ist. Wieso „abgefallen“?
Nun, symptomatisch gesehen, durch das realsatirische Tun seiner Repräsentanten, da das (__nationalstaatlich wie inter_nationalstaatlich__) zwangsläufig „kakophonische Schwingungen“ erzeugt, die, u.a., ein solches „Abgefallen“ bewirken.
Selbstverständlich lassen hingegen die Spindoktoren des Systems, zur Erklärung fürs Abfallen dieser Etikettierung, verlauten, daß die Ursache dafür nicht „kakophonische Schwingungen“ seien, sondern dies Ergebnis eines „schlafwandlerischen Prozesses“ wäre, der sei nämlich aus der Geschichte bekannt. — Das leuchtet natürlich ein, denn: Wer kann schon etwas gegen „schlafwandlerische Prozesse“ tun, oder?
Wie dem auch sei, Fakt ist jedenfalls, daß es keineswegs komisch ist, daß das Ab_fallen dieser Etikettierung bisher keinem auf_gefallen ist. Denn wer sich _nicht_ darüber wundert, daß am Reichstag: „Dem deutschen Volke“ steht,
da das selbstverständlich anders lautete[__1__],
wäre zumindest einst Demokratisches vorhanden gewesen,
das dann zwar zu behaupteter „repräsentativer Demokratie“
reduziert worden wäre,
dem fällt so etwas schon gar nicht auf — daß also diese Etikettierung von der Fassade abgefallen ist.
Und wieso ist das — ursächlich gesehen — so? Nun, die harten Interessen nationalstaatlicher Machteliten sind nicht mit den Interessen der Masse der Menschen kompatible. Das tritt zutage, wenn die inner_gesellschaftlichen Machtverhältnisse über die Satelliten dieser Elite soweit verschoben worden sind — bspw. durch ein Gesetzes- und Verordnungsregelwerk, wodurch immer größere Bereiche der Bevölkerung in prekäre Lebensverhältnisse geraten —, so daß Partikularinteressenbedienung letztlich zum Prinzip staatlichen Handelns wird, das der Bevölkerung dann als „normal“ erscheint.
Die Auswirkungen davon betreffen keineswegs
unzureichend ausgebildete Menschen
(__abgesehen davon:
wieso sind die das?__)
allein: „Beschäftigung auf Honorarbasis“ ist
dafür nur ein so widerliches wie exemplarisches Beispiel.
Auf diese Weise zeigt sich der Klassencharakter der bürgerlichen Gesellschaft offen. Damit der sich nicht dauerhaft so offen zeigen muß, die harten Interessen aber trotzdem gewahrt bleiben, ist die „mediale Konstruktion eines äußeren Feindes“ eine recht bequeme Sache: sie hilft den Frust der Bevölkerung abzuleiten. Es leuchtet ein, daß, aus Sicht der Machtelite und ihrer Satelliten, die Kombination:
äußerer Feind / innerer Sündenbock
äußert bequem ist.
Das bedeutet, daß der sogenannte bürgerliche Staat, der in der Regel als nationalstaatlicher bezeichnet wird (__tatsächlich aber die „Spielwiese“ einer bürgerlichen Machtelite ist__), etwas anderes als ein demokratischer Staat sein muß, denn seine „gesellschaftsstrukturgebende Idee“
(__die Ausdruck des „Wertverwertungsstrebens“
seiner Machtelite und deren Satelliten ist__)
führt zwangs_läufig zur Ökonomisierung _aller_ gesellschaftlichen Umweltbereiche und, soweit ökonomisierbar, aller natürlichen Umweltbereiche: „Geo-Engineering“ ist davon übrigens die Toppung.
Der Unterschied zwischen einem bürgerlichen Staat und einem demokratischen Staat zeigt sich in der staatlichen Struktur_Setzung: Das höchste der Gefühle für einen bürgerlichen Staat ist das, was als „repräsentative Demokratie“ bezeichnet wird.
Tatsächlich bedeutet „repräsentative Demokratie“ aber die Verwaltung der Masse der Menschen eines Staates durch eine Funktionselite, die im Sinne derjenigen agiert, die ihre Partikularinteressen (__im Sinne des ihnen eigenseienden — allerdings nicht naturgegebenen — Wertverwertungsstrebens__) gewahrt sehen wollen. Das führt früher oder später zwangsläufig zu einer Konzentration von Einfluß und damit von Macht. Die Konsequenz daraus ist ein gesellschaftlicher Oligarchisierungsprozeß
(__bzw. Lobbykratisierungsprozeß:
„Sondergerichtsbarkeit“ ist davon ein
fortgeschrittener Ausdruck[__2__]__),
von dem, wie gesagt, schon Aristoteles zu berichten weiß.
Ein solcher Prozeß, der in den USA bereits seit Jahrzehnten relativ offen abläuft, wird seit dem Ende des Kalten Krieges auch wieder in Europa unter dem Deckmantel des 1992/93 gestarteten neoliberalen Projektes, genannt EU, mehr und mehr virulent. Und, wenn auch von einer anderen Basis ausgehend, geschieht dies, u.a., ebenso in Rußland seit dem Zusammenbruch des stalinistischen Systems über dessen Apparatschiks, die sich Anfang der 90er Jahre jene Rosinen griffen, die diese auf ihre Weise mangelverwaltet hatten.
Der entscheidende Unterschied
— und aus dem sich alle anderen Schlußfolgerungen ergeben —
zwischen einem entwicklungsrichtungsmäßig machtelitär bestimmten Staat und einem demokratischen Staat, liegt übrigens darin, daß
« ein demokratisch verfaßter Staat nicht nach Hegemonie strebt ».
Konsequenz?
Wer verdrossen ist, ist die Funktionselite des lobbykratischen Systems, da ihr die Simulation von Demokratie langsam lästig wird — immerhin liegt der Kalte Krieg schon dreißig Jahre zurück. Hingegen kann die Masse der Menschen nicht demokratieverdrossen sein, denn dazu müßte sie in einer Demokratie leben. Jenes, das als „Demokratieverdrossenheit“ bezeichnet wird, kann demnach bloß aus dem resultieren, was ist und dies ist eine Lobbykratie.[__3__]
_1 Siehe dazu in: « Sie fragen noch, wie die ›Verhältnisse‹ liegen?», die Seite 350, beginnend mit: „Der Fassaden-Charakter dieser ‚Demokratie‘ …“.
_2 Siehe dazu in: Die tri_logische Sezierung […], Band III, Teilband 2, Anhang II: „Beleg für die Behauptung, daß die EU ein anti_demokratisches Gebilde ist“. In diesem Anhang findet eine Auseinandersetzung mit dem CETA statt.
_3 Siehe dazu die Bänden I-III der Tri_logischen Sezierung des lobbykratischen Zeitalters.
© Joachim Endemann (__EndemannVerlag__)