Neues aus Täuschland Teil 4 _ Zweiter Teil der Abschiedsrede des Hofgaucklers

Im Land Täuschland, in dem die Königin, die keine Kinder hat und immer weiter herrschen möchte, hat der Vorgauckler kürzlich seine Abschiedsrede gehalten, die jedoch erst einmal in ihre wahre Bedeutung übertragen werden mußte — wie es üblich ist für solche Neu_Sprech-Reden. Folglich kann erst jetzt der zweite Teil dieser Rede folgen, denn es dauert seine Zeit

— was wir ja von anderen heiligen Texten nicht anders kennen,
die mitunter einer gar jahrelangen Bearbeitung bedurften,
damit der Sinn eines göttlichen Wortes angemessen
dem gemeinen Gläubigen von den dazu
selbsternannt Berufenen erschlossen werden konnte  —

diese Worte in ihre wahre Bedeutung zu übertragen, enthalten sie doch so viele heuchlerische Phrasen und Un_Wahrheiten. … Zumal es eigentlich das folgende war, das der Vorgauckler sagen wollte:

Liebe Täuschländer,

an zwei wichtige aktuelle Problemfelder sei erinnert:

Es ist uns, Eurer Königin, Ihrem Hofstaat und mir gelungen, und darauf sind wir sehr, sehr stolz, die Zahl der zu uns kommenden, aus dem Morgenland und anderen Ländern in Not fortlaufenden Menschen deutlich zu reduzieren.

Wie Ihr Euch alle erinnert,
hatte die Königin vor mehr als zwölf

M o n d e n

kurzzeitig vorgegeben, sie wolle diesen armen Menschen aus dem Morgenland helfen, da

_I h r_

Täuschländer zu jenem Zeitpunkt nicht willig gewesen wäret, Eure Kreuzchen für die Königin zu machen — so wissen die hofstaatlichen Geheimen zu berichten.

Schon bald aber besann sie sich auf Ihre wirkliche Absicht und setzt seitdem alles daran, daß diese armen Menschen nicht mehr zu uns kommen.

Zugegeben, liebe Täuschländer, es ist nicht immer einfach für die Königin und den Hofstaat und mich, so zu tun, als wollten wir helfen und

_z u g l e i c h_

alles daran zu setzen, daß dies

_n i c h t_

geschieht. Ihr könnt Euch aber auf uns verlassen, wir haben Mittel und Wege gefunden:

  • Der kalte Winter hilft uns und so bleiben viele dieser fortlaufenden Menschen ganz einfach auf ihrem langen Weg zu uns im Schnee stecken.
  • 5.022 Menschen sind auch bei den Überfahrten in oft viel zu kleinen Booten ums Leben gekommen, auch das reduziert.

(__Immerhin ertranken 2015 nur 3.771 Menschen, sagt das UNHCR.__)

Schließlich haben wir mit dem Küstenschutz des Tripolislandes einen Kontrakt geschlossen, und diese Buben sind besonders gewiefte Buben:

Ja sie fahren sogar so nah an die Boote mit den fortlaufenden Menschen aus dem Morgenland heran, dasß diese kentern müssen.

Auf diese Buben können wir also bauen, sie sind richtig böse — aber das kann man nicht erkennen.

Auch das reduziert.

Ich habe Euch sogar laufende Bilder vorbereitet, wo Ihr sehen könnt, wie diese, ich nenne sie mal Partner von unserem Täuschland, uns beim Reduzieren helfen — aber schaut nur selbst:

Flüchtlingsdeal mit Libyen: Brutale Milizen als Partner Europas?

Das steht da zwar noch als Frage …

— und „Europa“? . . . na, das sind doch wir!

Nun, die Königin hatte Euch schon von diesen Lagern berichtet, die wir sogar in den Ländern hinter dem Morgenland errichten und dort die Menschen festsetzen. Und wie Ihr wißt, hatten die Berater der Königin geraten, dies „Flüchtlingsmanagement“ zu nennen, da es sich sonst so unschön anhört, oder besser noch „Migrationsmanagement“, denn dann erkennt niemand mehr, worum es geht . . .

Wir haben gemeinsam noch viele andere Dinge in die Wege geleitet für dieses Reduzieren!


Liebe Täuschländer,

das zweite Problemfeld, von dem ich Euch

genauso stolz berichten kann, sind Eure Dukaten:

Wenn es nach uns geht, so werden die Königin und der Hofstaat und die Freunde der Königin auch weiterhin reichlich Dukaten haben und Ihr werdet viel für Eure Dukaten bekommen, auch wenn andere Untertanen in anderen Nachbarländern dies nicht können, aber die sollen ja auch erst einmal dafür sorgen, daß es uns gut geht.


Zu guter Letzt müssen wir noch über einen Punkt reden.

Wir leben in rauen Zeiten: Oft ist nicht erkennbar, was wahr ist und was nicht. Vor allem im Neuland wird fast grenzenlos die Wahrheit gesagt, hinterfragt und nachgeforscht. Das gefällt uns gar nicht, denn es reicht völlig aus, wenn Ihr uns und unseren Schreiberlingen glaubt, dies habe ich Euch ja schon im ersten Teil meiner Rede erklärt.

Wir werden Euch aber helfen. Wir haben nämlich eine feste Burg gefunden, die Euch genau sagen wird, was wahr ist und was gelogen. Diese Burg liegt an einem Bach, und der in ihr hausende Fürst Hom bekommt genau so viele Dukaten von unseren Tele-Schreibern und den großen Schreiberling-Stiftungen, auch von dem männischen Bertel, daß der sich schon für die richtige Wahrheit entscheiden kann. Dann müßt Ihr nicht mehr forschen und suchen, wir sagen Euch schon, was wahr ist und was nicht. Und wer dann etwas anderes sagt, na, den werfen wir in den Kerker dann!


Ihr lieben Täuschländer, ich bin betagt und erschöpft, ich muß hier schließen und werde die Rede ein andermal beenden. Auch soll meinem Nach_Gaukler noch etwas zum Steinmeiern bleiben!

Euer Vorgauckler

_1. Teil_

© Kirsten Grunau (__EndemannVerlag__)

 

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