Und es begab sich in dem Land Täuschland, einem Land mitten im Abendland, da herrschte schon seit langer Zeit eine Königin, die hatte keine Kinder und die wollte auch nur immer weiter herrschen. Es geschah hie und da, dass sich der eine oder andere im Hofstaat aufschwang, auch einmal König oder Königin zu werden, doch da hatte sie ein feines Gespür für und diese Mitglieder des Hofstaates mussten dann in ferne Lande reisen oder andere Dinge tun, so dass sie der Königin nicht gefährlich werden konnten.
Die Menschen in diesem Land, wie auch in den Nachbarländern, arbeiteten hart und fertigten viele Dinge, aber die Untertanen in diesem Täuschland hatten oft nicht genug Dukaten um diese Dinge zu kaufen und so verkaufte man immer mehr in die Nachbarreiche. Einige dieser Nachbarreiche waren selbst nicht reich und mussten immer mehr Geld leihen, sich diese Waren zu kaufen und es ging diesen Ländern immer schlechter.
Im Täuschland aber gab es einen Schatzmeister, ein verbitterter alter Mann, der keine Freude am Leben hatte, auch wusste er oft gar nicht so richtig, was er machen sollte, aber seine Mutter, die hatte ihm stets gesagt, dass sie sparen müsse und so sagte er stets:
„Wir müssen sparen!“
Und er fühlte sich sehr stark und sagte auch all den anderen Königen in den wunderschönen Nachbarreichen:
ihr
_M Ü S S T_
sparen!
Da gab es das ein oder andere Land, deren Untertanen fröhliche, singende, tanzende Menschen waren, doch der verbitterte, alte Schatzmeister nahm ihnen alles, und sie wurden sehr traurig.
Die Königin aber hatte Hofnarren um sich herum und die berichteten ihr von Ländern im Morgenland, in denen man Gold und andere Schätze finden konnte und die Königin wollte dieses Gold und diese Schätze haben, so verbündete sie sich mit den Räubern in diesen Ländern und wollte durch diese Räuber Zugang zu den Schätzen haben. Sie gab Ihnen Schwerter und Helfer, aber das durfte niemand wissen. Und diese Räuber wüteten in diesen Ländern im Morgenland, sie wüteten so sehr, dass die Menschen dort gar nicht mehr leben konnten. Sie hatten nichts mehr, nichts zu essen, kein Dach über dem Kopf und mussten ihre Heimat verlassen. Sie liefen einfach los und reisten mit viel zu kleinen Booten, von denen viele untergingen. Die Untertanen im Täuschland hörten dies und wurden immer besorgter. Davon hörte die Königin und sie wusste, dass sie nur Königin bleiben könnte, wenn die Untertanen zu bestimmten Zeiten Kreuzchen auf besondere Stücke Papier für sie machten. Die Königin wollte ganz viele Kreuzchen haben und so verkündetet sie, dass sie all diesen Menschen aus dem Morgenland helfen wolle, sie, aber vor allem ihre Untertanen. Sie war schlau, denn sie wollte gar nicht helfen, sondern nur Kreuzchen, und die Untertanen arbeiteten von früh bis spät, den Menschen aus dem Morgenland zu helfen. Ziemlich schnell merkte die Königin, dass die Untertanen immer mehr ächzten. Seit vielen Jahren schon hatte sie ihnen das Leben immer schwerer gemacht, denn ihre eigenen Freunde konnten auf diese Weise mehr bekommen, und so befahl sie all ihrem Hofstaat und den Schreiberlingen schlecht über diese Menschen aus dem Morgenland zu berichten und sie schnell wieder nach Hause zu schicken.
Es gab viele Untertanen, die Mitleid mit den armen Menschen aus dem Morgenland hatten und diese musste die Königin irgendwie umstimmen, aber ohne dass sie es merkten. Jede Gelegenheit nutzten sie und ihre Hofnarren und immer mehr Menschen wurden böse auf die Menschen aus dem Morgenland, aber es reichte nicht, denn die Königin hatte Großes vor. Sie wollte eine noch mächtigere Königin sein und sie wollte ihre Soldaten und Schutzmänner stärker werden lassen, damit diese auch gegen ihre Widersacher im eigenen Land vorgehen konnten.
Diese Königin hatte nicht nur ihren Hofstaat und ihre Hofnarren, sie hatte auch heimliche Freunde, die Heimliches taten und diese heimlichen Freunde wussten, dass es auch im Morgenland böse Buben gab. Schließlich hatten diese Buben auch oft ihre eigene Schwester oder ihre Mutter verloren bei dem Wüten um die Schätze im Morgenland — einige von diesen bösen Buben waren sehr, sehr böse. Sie hatten nichts mehr zu verlieren und auch Ihnen hatten Schreiberlinge in ihren Ländern gesagt, dass die Menschen im Abendland die Bösen seien.
Diese heimlichen Freunde aus dem eigenen Täuschland kannten aber ein paar richtig böse Buben aus dem Morgenland und sie wussten auch, dass diese Buben ganz schlimme Dinge planten und deshalb hätten sie sie auch in den Kerker werfen müssen, in ein dunkles Verlies.
Aber sie haben es nicht getan.
Die heimlichen Freunde waren nämlich sehr geschickt und wussten sehr wohl, dass, wenn die bösen Buben etwas ganz Schreckliches im Täuschland machten, die Untertanen im Täuschland flugs nach mehr Soldaten schreien würden, flugs ihren Zorn gegen die Menschen aus dem Morgenland richten würden und natürlich auch wieder ihre Kreuzchen für die Königin machen würden.
Und da sie nicht im Kerker waren, machten die bösen Buben etwas ganz Schreckliches und viele Untertanen in Täuschland verloren ihre Töchter und Söhne und weinten und tobten. Die heimlichen Freunde sagten den Schreiberlingen, dass es nur ein böser Bube aus dem Morgenland gewesen sein konnte, sie hatten ganz typische Geheime-Freunde-Beweise.
Und die Königin sagte auch allen, wie traurig sie war.
Aber es geschah, was die heimlichen Freunde geahnt hatten: Die Untertanen im Täuschland wollten immer mehr Schutz vor den bösen Buben aus dem Morgenland und immer mehr Schutzmänner und Soldaten und sie ahnten ja nicht, auf was sie sich da einließen …
Und wenn sie nicht gestorben sind, so ahnen sie vielleicht noch immer nicht . . .
© Kirsten Grunau (__EndemannVerlag__)