Am Beispiel der Volkshochschule Mülheim an der Ruhr

Es mag in einigen Köpfen die Vorstellung herumgeistern, und manche könnten das sogar zu einer Strategie ihres Denkens gemacht haben, daß es eine prima Sache sei, die VHS Mülheim an der Ruhr dezentral zu organisieren. Eine Dezentralisierung kann in einer großen Stadt durchaus Sinn machen. Aber ist Mülheim eine große Stadt? Und existiert ein Standort bereits zentral, ist dann nicht zu überlegen, welche Vorteile das bietet, insbesondere dann, handelt es sich um die Größe _dieser_ Stadt?

Die VHS Mülheim ist übrigens bewußt als VHS gebaut worden. Das heißt das Gebäude bietet alles, was dem Weiterbildungsauftrag dienlich ist.

Also ist die VHS Mülheim von ihrer ganzen Anlage her eine Einrichtung, in der sich die Menschen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten (__und idealerweise sogar wörtlich__) begegnen und Freude am eigenen Sichweiterbilden haben _und_ vielleicht dabei sogar Gemeinschaftliches erleben. Dazu ist bestens geeignet ein zentraler Ort. Denn zentral bedeutet auch: relativ gleiche Entfernungen von den einzelnen Stadtteilen aus. Dies allein ist etwas, das es wenig verständlich macht, daß man von Dezentralisierung dieser VHS redet.

Es ist auch ein Ausdruck dafür, daß offenbar unklar gedacht wird. Was sollte denn an einem Dezentralisierungskonzept günstiger sein, wenn für gewisse Dinge Geräte doppelt da sein müßten, z.B. Kopierer? Dezentralisierung mag sich ja nach Flexibilität anhören, aber ist denn das die Frage? Ist nicht zuerst die Frage die: Wie verhält es sich mit der Struktur der Stadt? Was für die eine Stadt richtig sein kann, muß nicht für die andere gelten. Was in anderen Bereichen gewiß richtig ist, nämlich das Schauen über den eigenen Tellerrand zu üben, ist nur begrenzt sinnvoll, geht es um die gewachsene Struktur der eigenen Stadt.

So wäre in Mülheim die ganze Palette des VHS-Angebots zugleich in mehreren Stadtteilen anzubieten kaum realisierbar, mangels ausreichender Nachfrage dort, hingegen am _bestehenden_ zentralen Ort schon.

Auch ist es keine Verbesserung, werden die einen Kurse in dem einen, die anderen in einem anderen Stadtteil angeboten. Denn das führte bspw. zu langen Anfahrten für Kursteilnehmer und Dozenten, die, falls sie den öffentlichen Nahverkehr nutzten, wahrscheinlich ein Umsteigen erforderten. Das aber würde so manchen Teilnehmer aus verschiedenen Gründen abschrecken.

Dezentral bedeutet also per se weder preiswert noch bürgerorientiert. Zentral hingegen bedeutet, daß alles an einem Ort vereinigt zu nutzen und anzubieten ist: von der Verwaltung bis zu einem Kurs, der niemals in einem Stadtteil angeboten würde, obwohl dort ein paar Menschen wohnen mögen, die gerade an diesem teilnehmen wollten, so in anderen Stadtteilen nicht anders, ihn also zentral anzubieten erst lohnend wäre — für die Einnahmeseite der Stadt und für die Interessierten, die alle ähnlich lange Wege hätten, wohnten die nicht gerade selbst im Zentrum.

Auch ist eine Abstimmung zentral weit besser zu organisieren, vorausgesetzt die Kommunikation stimmt und alle ziehen an einem Strang, anstatt je das eigene Süppchen kochen zu wollen — wie’s so üblich wie schädlich ist.


Übrigens läßt eine Argumentation tief blicken, in der u.a. die Rede ist von: „Das VHS-Gebäude ist doch schon 40 Jahre alt“ oder: „Denkmalschutz? Lachhaft! Da könnte ja jedes Gebäude aus den 70ern genommen werden“.

40 Jahre sollen für ein Gebäude ein langer Zeitraum sein?  200 Jahre, gewiß, die wären das. Hält man ein Gebäude allerdings nicht in Schuß, könnten selbst 10 Jahre viel sein — bspw. wenn es Mängel aufweist, die tatsächlich baulicher Natur und in den ersten Jahren noch relativ einfach zu beheben gewesen wären.

Wenn man allerdings der Meinung ist, daß ein Gebäude sowieso nach einigen Jahrzehnten wieder abgerissen werden soll, mag einem der Kurzschlußgedanke nicht fernliegen, sich die Ausgaben für Instandhaltung und Modernisierung sparen zu können. Konsequenz eines solchen Kurzschlußdenkens könnte dann allerdings sein, daß das a) andere anders sehen, bspw. eine Denkmalbehörde, und b) auf diese Weise viele „Baustellen“ in einer Stadt entstehen.

Und rechnete man dann einmal nach, fiele einem möglicherweise auf, daß es preiswerter kommt, hält man alle Gebäude in Schuß.

Gewiß, dem unbedarften Beobachter wird man erzählen können, daß Millionenbeträge für solcherweise entstandene Baustellen zu bezahlen wären — sofort. Das ist spektakulär, nicht wahr? Wird von der Presse auch gern aufgegriffen und jeder versteht sowieso sofort: dafür haben wir kein Geld! Und aus der Stadtverwaltung echot’s dann zurück: „wir müssen jetzt eine wirtschaftliche Lösung finden!“.

Nun, dem relativ objektiv Beobachtenden wäre damit allerdings nicht zu kommen. Der fühlte sich eher beleidigt, ob solcher Dreistigkeit!

Denn es wird genauso jedem _erwachsenen_ Bürger einleuchten, so er davon unterrichtet wird, daß regelmäßige Instandhaltung/Modernisierung günstiger kommen als Probleme auflaufen zulassen, daß es nämlich ein so gefährlicher wie teurer, mitunter sogar fahrlässiger Trugschluß ist, das Auftreten oder Sichtbarwerden von Schäden erst einmal zu ignorieren.

Wird das zum Prinzip erhoben, sind früher oder später nur noch Löcher zu stopfen — ob an einem Gebäude oder an vielen. Dann bewegt man sich allerdings auf einen Bereich zu, wo der Überblick droht verloren zu gehen und die Kosten horrend erscheinen, obwohl die lediglich denen entsprechen, die pro Jahr relativ klein gewesen wären, nun aber summiert sind — also plötzlich zwar auftretend, aber absehbar gewesen. Allerdings kommen zu diesen Kosten dann noch jene hinzu, die allein _wegen_ jahrelangen Ignorierens zu zusätzlichen Schäden geführt hatten.

Fazit: wird das Notwendige beizeiten versäumt zu tun, wird es weit teurer als das Beizeitentun.

Wer aus einem solchen Prinzip allerdings eine „Strategie“ machen wollte, und auf diese Weise nicht mehr Gemeinwohl-Interessen dienend, könnte sich eines Tages mit schwerwiegenden Fragen konfrontiert sehen. Eine davon hat mit grober Fahrlässigkeit zu tun, eine andere mit Kompetenz.


Das Gebäude der VHS Mülheim gilt manchen als häßlich, nicht denkmalwürdig. Nun, vielleicht fehlt ihnen der freie Blick — unverstellt von der Abrißbirne?

Sie sollten sich das Gebäude doch einmal richtig anschauen. Es ist ein Beispiel für die Art und Weise des Bauens in den 70er Jahren — und sogar ein schönes, genau auf die Bedürfnisse einer Weiterbildungsstätte abgestimmtes.

(__Wer behaupten wollte,
daß das nicht mehr zeitgemäß sei,
dächte schräger als er glaubt.__)

Und wer argumentieren wollte, daß dann ja jede Menge Gebäude aus dieser Zeit genommen werden könnten, hat nicht verstanden worum es beim Denkmalschutz geht:

Ein exemplarisches Beispiel für eine Epoche oder einen Zeitabschnitt als Denk_mal zu erhalten, also, u.a., als Möglichkeit darüber nach_zudenken, wie sich die Sicht auf die Welt verändert — und wodurch. Wollte ich hingegen lediglich die architektonischen Bauten aus ferner Vergangenheit erhalten, blieben zurück realitätsferne Bewußtheit, also Schein_Bewußtheit, gepaart mit schein_hafter Kultur:

„_Das_ ist Kultur!“ — sagte der Banause zu seinem Kind und merkte nicht, daß er grade das in ihm Keimende folgenreich erzittern ließ.

Eine „VHS“, die für „Volkshochschule“ steht

(__wobei in diesem Begriff
besondere Wertschätzung und Hoffnung liegen__)

, nun, sie verträgt eines jedenfalls nicht: Profilierungsgebaren gepaart mit Aktionismus.

Das Resultat ist nämlich stets ähnlich: nach jeder aktionistischen „Aktion“ ist ein Stück Sinnhaftigkeit mehr verloren. Auf diese Weise läßt sich zwar alles auseinandernehmen, aber _weder_ neu _noch_ besser wieder zusammensetzen, sondern lediglich kaputt zurücklassen — als „neue“ Baustelle.

Es soll tatsächlich Verantwortliche geben, denen galt die VHS vor einigen Jahre noch als eine der zu vernachlässigenden (__selbst herbeigezauberten!__) Baustellen. — Und wer weiß, welche von den anderen „Baustellen“ als Ersatz für das Fortführen der VHS-Kurse ausgeguckt werden mögen — nicht vergessen: immer an den Brandschutz denken!

Frage: Wieso ist Realsatire eigentlich so teuer?


Das heißt das Gebäude der VHS Mülheim an der Ruhr steht unter Denkmalschutz. Über lange Jahre ist weder in Instanthaltung noch in Modernisierung investiert worden. Wohl wissend, welche Konsequenzen das hat. Oder ist anzunehmen, daß die Verantwortlichen davon ausgegangen wären, ein Gebäude brauche das nicht? Das Geld, daß dafür Jahr für Jahr bereitgestellt worden ist, wurde jedenfalls nicht abgerufen. Was ist also anzunehmen: Inkompetenz, Fahrlässigkeit oder Strategie? Oder anderes noch?!

Vielleicht sollten die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung daran erinnert werden, daß nicht sie die Stadt sind, sondern, wie der Name schon sagt,

_lediglich_

das _Gemeinwesen_ Stadt zu verwalten haben. Das ist also eine Dienst_Leistung.

Allein der mir bisher bekannt gewordene Ablauf der Ereignisse sowie der Umgang mit einem die VHS Mülheim betreffenden Problem, läßt jedenfalls vermuten, daß es entscheidend am Notwendigen mangelt: Transparenz, Kooperationsfähigkeit, Kommunikation, Sachverstand. — Zudem drängt sich die Vermutung auf, daß hier manche der Meinung sind, eine Stadt und ihre Bürger hätten vorrangig partikulare Interessen zu be_dienen!



Eines ist jedenfalls sicher: es wird teurer, als so manche in der Stadtverwaltung vermutet haben mochten, als sie glaubten, eine gewisse Strategie führe zu einem dem _Gemeinwohl_ dienenden Erfolg, die da heißt: erst verkommen lassen und dann behaupten, ein „Erhalt“ wäre zu teuer …

Bei richtiger Überlegung könnte übrigens auffallen, welcher Art diese Strategie ist. Denn sie ist durchaus als eine ideologisch verursachte, d.h. als eine neoliberal bedingte zu verstehen, wie abschließend an folgendem Beispiel deutlich werden kann, das zwar gesamtgesellschaftlich gilt, aber vom ideologischen Muster her dem entspricht, das  konkret bezogen auf den Fall des  VHS-Gebäudes Mülheim gilt.

*  *  *

Erst bringt man Anfang der 90er Jahre die Rentenkasse bewußt in Schieflage. Dann behauptet man, das „System“ trage nicht mehr. Dann bürdet man jedem einzelnen auf, sich selbst (__und schwachsinnigerweise!__) kapitalgedeckt _zusätzlich_ (__aber staatlich gefördert — selbstverständlich!__) zu versichern.

(__Gewiß, wegen des „demographischen Wandels“, so die „Erklärung“ jener, die die Menschen für dumm verkaufen. Denn, wäre darauf einzig richtig sofort zu erwidern: schon einmal etwas vom Produktivitätsfortschritt und von der Goldenen Lohnregel gehört?__)

Eröffnet zusätzlich einen Niedriglohnsektor sondergleichen. Verdrängt zudem den Fakt, wegen der dadurch schwindenden und nicht mehr relativ verteilten Kaufkraft, und bei dennoch fehlendem Geld, tatsächlich fürs eigene Alter vorzusorgen. Und _dann_  ist man überrascht, daß keineswegs etwas Überraschendes, sondern _dann_ Normales geschieht: sich ausbreitende Armut, von der die _materielle_ des Alters nur eine ist. Oder etwas anderes „Normales“ geschieht: das Verrotten sozialer Infrastruktur — um im Bild zu bleiben.

Nun, aus solcher selbsterzeugten „Not“ heraus

(__genannt _der_ Sach_Zwang, für den ja niemand etwas kann__)

verfällt man am Ende dieses ideologisch verursachten Rattenschwanzes schließlich darauf, die Rettung zu suchen in einer jener „PPP-Ideen“ — obwohl doch diese Art der „Partnerschaft“ i.d.R. bedeutet: Profit für wenige und Mehrkosten für die meisten.

Wie dadaistisch-surreal das alles ist, nun, wie sollte jemand das noch merken, der selbst  entsprechend phänomenerzeugend tätig ist?

© Joachim Endemann (__EndemannVerlag__)

Statement zum Gebaren der Verantwortlichen in Politik und Verwaltung der Stadt Mülheim an der Ruhr, gezeigt am Beispiel des Umgangs mit dem denkmalgeschützten Gebäude der VHS und der damit in Verbindung stehenden Ratssitzung vom 18. Oktober 2017

Wie den demokratielähmenden Parteienstaat loswerden?