Wie dumm die bürgerlichen Intellektuellen wohl aus der Wäsche gucken werden?

Wie dumm aus der Wäsche mögen die bürgerlichen Intellektuellen gucken, werden die Apologeten sogenannter global governance das damit eigentlich gemeinte „gesellschaftspolitische Instrumentarium“ nicht allein „mit Nietzsche“ begründen, sondern diese das dann sogar ohne weiteres können werden?

Die letzten Organismen, deren Bildung wir sehen (Völker Staaten Gesellschaften), müssen zur Belehrung über die ersten Organismen benutzt werden. Das Ich-bewußtsein ist das letzte, was hinzukommt, wenn ein Organismus fertig fungirt, fast etwas Überflüssiges: das Bewußtsein der Einheit, jedenfalls etwas höchst Unvollkommenes und Oft-Fehlgreifendes im Vergleich zu der wirklich eingeborenen einverleibten arbeitenden Einheit aller Funktionen. Unbewußt ist die große Hauptthätigkeit. Das Bewußtsein erscheint erst gewöhnlich, wenn das Ganze sich wieder einem höheren Ganzen unterordnen will — als Bewußtsein zunächst dieses höheren Ganzen, des Außer-sich. Das Bewußtsein entsteht in Bezug auf das Wesen, dem wir Funktion sein könnten — es ist das Mittel, uns einzuverleiben. So lange es sich um Selbsterhaltung handelt, ist Bewußtsein des Ich unnöthig. — So wohl schon im niedersten Organismus. Das Fremde Größere Stärkere wird als solches zuerst vorgestellt. — Unsere Urtheile über unser „Ich“ hinken nach, und werden nach Einleitung des Außer-uns, der über uns waltenden Macht vollzogen. Wir bedeuten uns selber das, als was wir im höheren Organismus gelten — allgemeines Gesetz.

Die Empfindungen und die Affekte des Organischen sind alle längst fertig entwickelt, bevor das Einheits-gefühl des Bewußtseins entsteht.

Älteste Organismen: chemische langsame Prozesse, in noch viel langsameren wie in Hüllen eingeschlossen, von Zeit zu Zeit explodirend und dann um sich greifend und dabei neue Nahrung an sich ziehend.

Quelle: eKGWB/NF-1881,11[316] — Nachgelassene Fragmente Frühjahr – Herbst 1881.


An dieser Stelle geht es nicht darum, auf die Begriffsvorstellung von „Bewußtsein“ des Herrn Nietzsche einzugehen: nicht was dieser Herr meint ist das Problem, bzw. die Frage, sondern die Plastizität des menschlichen Wesens ist es. Im folgenden wird zudem deutlich, wieso er (_als „wir“_) diese gedankliche Pirouette dreht.


Zu folgender Passage des gerade zitierten Textes:

Die letzten Organismen, deren Bildung wir sehen (Völker Staaten Gesellschaften), müssen zur Belehrung über die ersten Organismen benutzt werden. Das Ich-bewußtsein ist das letzte, was hinzukommt, wenn ein Organismus fertig fungirt, fast etwas Überflüssiges: das Bewußtsein der Einheit, jedenfalls etwas höchst Unvollkommenes und Oft-Fehlgreifendes im Vergleich zu der wirklich eingeborenen einverleibten arbeitenden Einheit aller Funktionen. Unbewußt ist die große Hauptthätigkeit. Das Bewußtsein erscheint erst gewöhnlich, wenn das Ganze sich wieder einem höheren Ganzen unterordnen will — als Bewußtsein zunächst dieses höheren Ganzen, des Außer-sich. Das Bewußtsein entsteht in Bezug auf das Wesen, dem wir Funktion sein könnten — es ist das Mittel, uns einzuverleiben. So lange es sich um Selbsterhaltung handelt, ist Bewußtsein des Ich unnöthig. […]

… merkt Dieter Just u.a. an:

[…] Wenn Nietzsche zu den letzten Organismen, deren Bildung wir sehen, auf Völker, Staaten, Gesellschaften hinweist, sind wir nicht sicher, ob er wirklich die Gründung des Deutschen Reiches meint. Der Ausdruck Gesellschaften, zielt noch auf ein anderes Phänomen: ich meine die Gründung einer Art von staatlicher Gemeinschaft, ja eines Staates, dessen Hauptstadt nicht in Berlin anzusiedeln ist, sondern in Bayreuth.

Und dieser „Staat“ war für Nietzsche viel bedeutender als das Deutsche Reich. Zunächst mag die Rede von einem „Staat im Staate“ mit der Hauptstadt Bayreuth befremden. Aber mit demselben Recht, mit dem man den George-Kreis als einen „Staat“ bezeichnet hat, könnte man auch die Wagnerianer als ein solches Gebilde bezeichnen. Denn schließlich verfügten diese merkwürdigen, typisch deutschen Phänomene von „Klein-Staaten“, die sich um einen begnadeten Künstler bildeten — Wagner oder George —, neben dem absolutistisch regierenden Monarchen im Falle Wagners auch über eine Monarchin, Cosima Wagner, um deren Gunst zu buhlen sich dringend empfahl, außerdem über eigene Presseorgane — im Falle Wagners die Bayreuther Blätter — und vor allem auch über eigene „Steuerzahler“, genauer großzügige Spender in ganz Mitteleuropa, die sogenannten Wagner-Vereine, die zur Finanzierung des großen Festspielhauses und seiner Aufführungen eingespannt wurden. Nietzsche selbst wollte einen Schweizer Wagnerverein auf die Beine bringen.

Ziel des Staates von Bayreuth war nicht nur die Verbreitung der Kunst des Meisters, sondern auch die Förderung eines schon fast religiös zu bewertenden Heils möglichst im ganzen Abendland. […]

Quelle: Dieter Just, „Das zweite Bewußtsein Nietzsches“, p. 23.

Nimmt man zu dieser Aussage die folgende Urs Martis hinzu:

[…] Was [_Nietzsche_] beschreibt, sind Praktiken der Regierung. Eine planetare Erziehungsdiktatur künftiger Philosophen, wie sie von ihm erträumt wird, ist ein Instrument, ein Mittel zu einem ganz besonderen Zweck, den präzise zu definieren der Nietzsche-Forschung nach wie vor schwerfällt […]. Werden aber diese Praktiken nicht im Hinblick auf den von Nietzsche gesetzten Zweck beurteilt, sondern ausschließlich als Mittel, so zeigt sich erst die Aktualität der einschlägigen Überlegungen. Was Nietzsche beschäftigt, ist letztlich die Frage nach der Möglichkeit eines Regierens ohne Staat, ohne demokratische Legitimation, ohne Auftrag von und ohne Verantwortung gegenüber den Betroffenen, ohne Transparenz. Eine Art globalen Regierens ohne Staat mag notwendig sein […]. Allerdings ist „global governance“ bislang demokratisch nicht legitimiert und wenig transparent. Über vitale Belange der Menschheit wird heute oft entschieden, ohne daß die Mehrzahl der von diesen Entscheidungen Betroffenen daran partizipieren könnte, nicht selten wird ihr auch das zur Entscheidung notwendige Wissen vorenthalten. Wer sich mit Problemen von „governance“, insbesondere „global governance“ befaßt, kann entdecken, daß Nietzsche ein Modell bereits konzipiert hat — und dies keineswegs in kritischer Absicht.

Quelle: „Nietzsche und Wagner — Geschichte und Aktualität eines Kulturkonflikts“, hg. von Armin Wildermuth; zitiert aus dem Beitrag von Urs Marti: „Wagner und Nietzsche – oder: Die Außen- und die Innenseite großer Politik“, 2008/2016, p. 73.

… läßt sich darauf zwar verschiedentlich antworten,
an dieser Stelle allerdings allein so:

Da werden sich aber jene, die „Nietzsche“ deshalb „folgen“, da sie meinen, sie seien dann vor dem Staat auf der sicheren Seite, noch die Augen reiben, wenn die Apologeten der „global governance“ — wofür bspw. die EU steht — das damit eigentlich gemeinte „gesellschaftspolitische Instrumentarium“ mit Nietzsche begründen werden. …

Oder

bezogen auf Wagner und Nietzsche

anders gesagt:

Wagner war offen reaktionär,
Nietzsche ist es hinterhältigerweise …


Bei den Aussagen zur Politik,

insbesondere wenn es um das geht, was Nietzsche unter „großer Politik“ versteht, ist der Eindruck nicht von der Hand zu weisen, daß dieser „vornehme“ Herr einen Horror vor dem hatte, welches „Demokratie“ tatsächlich bedeutet, allerdings die sich in jungen Ansätzen zeigen wollenden Tendenzen selbst für diesen Lebensschmächtigen nicht zu übersehen waren, des_halb diese aufgriff, sie _so_ wohl vordergründig bejahend

was diesen Herrn in den Augen mancher
zu einem
„Aufklärer `werden´“ ließ,
obwohl doch auf diese Weise bloß
eine seiner
„aphoristischen Nebelspuren“ ziehend —,

hin_gegen

hinter_gründig

den Hebel der_artig anzusetzen suchte, daß nur ja folgerichtiger Richtungseinschlag — hin zu: Direkter Demokratie — zu verunmöglichen sei. … Und mit _diesem_ „Streben“ trifft sich Herr Nietzsche mit den waschechten bürgerlichen Intellektuellen des präsenten lobbykratischen Zeitalters

— da mögen diese noch so sehr „links blinkend“ winken:
Realsatiriker sind die allemal!


Und überhaupt: das ist bei Herrn Nietzsche immer so:

Es lassen sich phantastisch gute Sätze finden. Liest man dann nicht die Passage ganz, die den einen mit dem nächsten phantastisch guten Satz verbindet, und nimmt man diesen phantastisch guten Satz, setzt ihn — unverbunden — neben den anderen phantastisch guten Satz, oder nimmt _bloß_ die phantastisch guten Sätze, stellt sie zu einem Aphorismen-Strauß zusammen, die das „andere“ Beeindrucken nicht verfehlen, dann erschließt sich das so chaotisch Widersprüchliche wie Gefährliche an dem den lebensschmächtigen Nietzsche dostojewski_esk Durchwitternden nicht. —


Allerding, es ist _der_ Rat keine Häme:

Lebensschmächtige lassen lieber die Finger von dem, welches Ausdruck der Materia ist, da sie andernfalls lediglich jenes durchdenken — mag sein: ebengleich durchfühlen —, das von der Materia bloß Abgeschilfertes ist!


Aber diesem Lebensschmächtigen kann an dieser Stelle noch etwas Sprachraum eingeräumt werden, damit das vorgehend Ausgedrückte richtig zu kolorieren ist:

[…] Daß jeder als „unsterbliche Seele“ mit jedem gleichen Rang hat, daß in der Gesamtheit aller Wesen das „Heil“ jedes Einzelnen eine ewige Wichtigkeit in Anspruch nehmen darf, daß kleine Mucker und Dreiviertels-Verrückte sich einbilden dürfen, daß um ihretwillen die Gesetze der Natur beständig durchbrochen werden — eine solche Steigerung jeder Art Selbstsucht ins Unendliche, ins Unverschämte kann man nicht mit genug Verachtung brandmarken. […] Dieser erbarmungswürdigen Schmeichelei vor der Personal-Eitelkeit [_verdankt es_] seinen Sieg, — gerade alles Mißratene, Aufständischgesinnte, Schlechtweggekommene, den ganzen Auswurf und Abhub der Menschheit hat es damit zu sich überredet. Das […]: „die Welt dreht sich um mich“ … Das [_:_] „gleiche Rechte für alle“ […] hat es am grundsätzlichsten ausgesät [_:_] das Christentum hat jedem Ehrfurchts- und Distanz-Gefühl zwischen Mensch und Mensch, das heißt der Voraussetzung zu jeder Erhöhung, zu jedem Wachstum der Kultur einen […]Krieg aus den heimlichsten Winkeln schlechter Instinkte gemacht, — es hat aus dem Ressentiment der Massen sich seine Hauptwaffe geschmiedet gegen _uns_, gegen alles Vornehme, Frohe, Hochherzige auf Erden, gegen _unser_ Glück auf Erden […]

Quelle: eKGWB/AC-43 — Der Antichrist: Abschnitt 43. (_Hervorhebung und so: „[…]“ gekennzeichnete Kürzungen von mir._)

An andrer Stelle sagte ich schon, daß Herr Nietzsche insbesondere dann von sich im pluralen (_akkusativischen_) Personalpronomen „uns“ redet, ist er in seinem „offenen Haus der Stimmungen“ gedankendurchwittert. Weshalb? Daß er sich auf diese Weise nicht so einsam fühlen brauchte?

Oder anders geantwortet:

Nicht nur deshalb,

da Herr Nietzsche sagte, daß er für sich

(_aus seiner Perspektive sozusagen für „uns“_)

kein Mitleid wolle, wäre ein solches demjenigen gegenüber zu zeigen etwas viel verlangt, dessen „Antimoral“ diejenige „Moral“ ist, die jene benötigen, die sich in ihrer seelischen Verkrüppelung als „Herren der Welt“ selbst feiern und andere nötigen, das auch noch mitzufeiern. Hat Herr Nietzsche die „Herrenmoral“ doch bloß einem Update unterzogen. Also, wie sollte ich mit einem Lebensschmächtigen Mitleid haben, der mit seiner seelischen Verkrüppelung nicht umzugehen lernen wollte und statt dessen seine eigene Schmächtigkeit auf jene projizierte, die durch die — weiterhin bestehenden — gesellschaftspolitischen Verhältnisse gezwungen wurden — be_ziehungsweise dieses weiterhin werden — , von ihrer Stärke an die — des_halb — als „über_stark“ geltenden seelischen Krüppel etwas abzutreten — daß diese also erst jene „Stärke“ gewannen: und weiterhin gewinnen: eigene Substanz ist diese Stärke eben nicht —, sie zur Unterdrückung derjenigen verwenden zu können, die diesen seelischen Krüppeln von ihrer Stärke gaben und weiterhin geben: da diese „Überstarken“, wie Herr Nietzsche meinte, so wenig eine andere Wahl hätten wie der Raubvogel, ginge es ums Erjagen von Lämmern — womit dieser Herr zudem wie selbstverständlich nicht der „darwinistischen Argumentation“, hingegen allein der „sozialdarwinistischen“ folgte —, und der letztlich sein Denken, das wohl zum Aphoristischen besonders befähigt war und das sich zwischen mehr oder weniger langen Passagen disparaten Denkens findet, in den Dienst dieser „Überstarken“ stellte — und heute weiterhin gestellt wird —, also: ihre Knechtungsmoral upzudaten half? Was noch heute so viele bürgerliche Intellektuelle fasziniert: denn wer will nicht ein „Übermensch“ sein — zumindest in dessen Verdüsterungskreis wirken?

… Die im Dunklen sieht man
höchstens als graue Maus …

Da es aber nicht auf eigener Substanz beruhende Macht ist?


(_Kann ein substanzvoller Mensch überhaupt danach streben,
wenn
„Macht“ Ausdruck eines gewissen Mangels ist?_)


Ist es dann nicht zwangsläufig, daß sie entweicht, titscht man das aufgeblasene Ego dieser seelischen Krüppel an, so daß sich

nach einem mehr oder weniger
langen Entweichungsprozeß

das Gegenteil zeigen muß?

… Was?

… Das Lebensschmächtige.

… Worin mag es seine Begründung finden?

Nun, das ist ja das Thema des Ihnen
noch nicht vorliegen könnenden Buches,
da es gerade erst geschrieben wird

© Joachim Endemann (_EndemannVerlag_)