Der chinesische Philosoph Mo Ti, der vermutlich zwischen 470 und 370 v.u.f.Z. lebte und dessen philosophisches System als Mohîsmus bezeichnet wird, in dem deutlich wird, daß Mo Ti seine Gedanken mit Blick auf die Masse der Menschen entwickelt, schrieb u.a.:
Wenn man andere Staaten wie den eigenen betrachtet und andere Familien wie die eigene und andere Menschen wie sich selbst, dann werden die Feudalfürsten einander lieben und keinen Krieg miteinander führen, und die Familienvorstände werden untereinander Freundschaft pflegen und nicht aufeinander übergreifen, und die Menschen werden einander lieben und nicht schädigen. […] Die Menschen im ganzen Reich werden einander lieben, die Starken werden nicht die Schwachen überwältigen, die Masse wird nicht die Minderheiten berauben, die Reichen werden die Armen nicht verhöhnen, die Vornehmen werden über die Einfachen nicht lästern, und die Schlauen werden die Dummen nicht übervorteilen. Und Elend, Übergriffe, Unzufriedenheiten und Haß werden in der ganzen Welt nicht mehr vorkommen können. Dies hat seinen Grund in der gegenseitigen Liebe. Deshalb preist sie der Menschliche.
Quelle:
Mo Ti, „Von der Liebe des Himmels zu den Menschen“, übersetzt und herausgegeben von Helwig Schmidt-Glintzer, Eugen Diederichs Verlag, München, 1992, die Seiten 107 f.
Für mich ist die zitierte Aussage bemerkenswert — weit vor dem Christentum formuliert … und das ohne jedes „Brimborium“ —, belegt sie doch auch, daß die Welt nicht auf die Beglückung durch monotheistische Religionen warten mußte, daß es dem Menschen möglich werde, solche Gedanken zu entwickeln.
Mag auch die Bemerkung nicht unberechtigt sein, daß sich offenbar weder der „Charakter der Menschen“ noch die „zwichenmenschlichen Beziehungen in zweieinhalbtausend Jahren geändert“ hätten, denn zwar dürften die gesellschaftlichen Verhältnisse bis zu einem gewissen Punkt zu jener Zeit allein deshalb schon vergleichbar mit den heutigen gewesen sein, da es auch damals bereits Beherrschte und Herrschende gab — das fällt ja voll in die Zeit der Historischen. Zu jener Zeit begann aber nicht die Geschichte der Menschheit — man wird nämlich eine Zäsur in der Wahrnehmungsweise der Prähistorischen und der Historischen ausmachen können.
Und da die gesellschaftlichen Verhältnisse es nun einmal sind, die das persönliche menschliche Verhalten bestimmen, lassen sich selbstverständlich auch Ähnlichkeiten im Verhalten der Menschen selbst annehmen, unterliegen sie ähnlichen (__grundsätzlichen gesellschaftlichen__) Bedingungen: Beherrschte hier, Herrschende da — und zwar deshalb, da der Mensch anlagemäßig plastisch ist: weder „gut“ noch „böse“.
Das heißt sind die Bedingungen gut — erlauben die also persönliche Entfaltung _nicht_ auf Kosten anderer — entwickelt sich der Mensch eher „großzügig“. Sind diese Verhältnisse schlecht, entwickelt er sich eher „mickrig“. Je länger mickrig machende Verhältnisse herrschen, je schwieriger ist konstruktives Gegensteuern.
Aber, wie gesagt,
bemerkenswert ist (__allein__)
die Aussage des zitierten Textes,
in der liegt nämlich alles drin.
Siehe auch:
© Mo Ti © Helwig Schmidt-Glintzer für die Übertragung aus dem Chinesischen