Neues aus Täuschland Teil 5: Die Königin von Täuschland ist wieder einmal gar nicht glücklich

Die Königin von Täuschland, die keine Kinder hat und die immer weiter herrschen will, ist wieder einmal gar nicht glücklich.

Mit großen Schritten naht der Große Mach-Dein-Kreuzchen-Tag, an dem _ihre_ Untertanen sich auf besonderen Stückchen Papier be_kreuzigen, d.h. ihr Kreuzchen abgeben, denn nur, wenn sie dann genug Kreuzchen hat, wird sie Königin bleiben.

Alles schien so schön, die Untertanen waren so verunsichert und von Ihren Schreiberlingen so gelenkt, dass sich die meisten Untertanen schon gar nicht mehr vorstellen konnten, dass es auch eine andere Königin geben könnte, oder gar einen König.

Beim letzten Großen Mach-Dein-Kreuzchen-Tag gab es einen Peer von der Brücke am Stein, der wollte auch König werden, aber da wusste sie die Untertanen auf ihre Seite zu ziehen. Und dieses Mal, so glaubte sie, würde es ein ganz leichtes Spiel werden, doch auf einmal spielte der Hofstaat das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel. Und auf einmal wurde verlaut, dass nun nicht mehr der Erzengel-Mann König werden wolle, sondern der Schuldheiß, den viele ja einfach nur Schulz nennen

(__Nun Ihr lieben Leut! Ihr wisst, dass ein Schuld_Heiß ein in vielen westgermanischen Rechtsordnungen vorgesehener Beamter ist, der Schuld heischt: Er hat also im Auftrag seines Herren die Mitglieder einer Gemeinde zur Leistung ihrer Schuldigkeit anzuhalten und Abgaben einzuziehen oder für das Beachten anderer Verpflichtungen Sorge zu tragen.__)

Das — wie gesagt — gefiel der Königin gar nicht, denn, warum auch immer, es gab Schreiberlinge, die behaupteten, die Untertanen mögten diesen Schultheißen und wären   _vielleicht_  sogar gewillt, für ihn Kreuzchen zu machen.

Und nicht nur das mißhagte ihr, denn in dem großen Land über den großen Teich gab es den neuen reichen König. Das war ein grober Klotz, gewiss, und alle Schreiberlinge schrieben nur schlechtes über ihn und viele Dinge, die der neue reiche König machen wollte, waren auch wirklich nicht schön.

Der neue reiche König im großen Land über den großen Tag wollte zum Beispiel eine Mauer bauen lassen, damit nicht mehr so viele Menschen aus dem Süden kämen und alle Schreiberlinge berichteten darüber, aber sie berichteten nicht, dass es diesen Tortilla-Vorhang doch schon längst gab, denn eine Mauer muss keineswegs eine richtige Mauer sein um eine Mauer zu sein. Er wollte auch keine Menschen aus dem Morgenland kommen lassen, weil er meinte, dass unter ihnen ganz viele böse Buben wären. Da war die Empörung aber groß.

In Täuschland hingegen, hatte die Königin längst dafür gesorgt, dass auch hier keine Menschen mehr kommen konnten, ja sie setzte alles an ihr großes Ziel:

„Rückführung! Rückführung! Rückführung!“.

Aber sie machte das viel geschickter als der grobe Klotz und viele Untertanen glaubten immer noch, dass ihre Königin den Menschen helfen wolle.

Der neue reiche König erkannte, dass die Königin von Täuschland und ihr Hofstaat ein ganz schön durchtriebenes Spiel spielten mit ihren Nachbarn, die sie regelrecht ausnutzten, nur damit diese all die schönen Dinge kauften, die die Täuschländer in Täuschland herstellten. Und so merkte der neue reiche König auch sehr wohl, dass die Täuschländer ihre schönen Dinge in das große Land über den großen Teich verkauften,

_aber_

sie kauften gar nicht so viele Dinge zurück. Das fand er nicht richtig und so verlangte er, dass von nun an Extra-Dukaten an ihn bezahlt werden müssten für Dinge aus Täuschland.

Und der neue reiche König zählte die Dukaten in diesem großen Tschingderassabum-Bund nach, diesem Nato Bund, und bemerkte, dass Täuschland diesem Bund noch viele Dukaten schuldete, die es nun bezahlen sollte. Und nicht nur das. Er verlangte sogar, dass die Königin und ihr Hofstaat und ihr Schatzmeister bezahlen sollten, wenn diese Tschingderassabum-Große-Über-den-Teich-Polizei ausrückte, in ferne Länder, ins Morgenland oder in andere Länder, und zwar immer dann, wenn in diesen Ländern das Chaos groß war.

Und das Chaos in diesen Ländern kam nicht von alleine, das könnt ihr mir glauben.

Meistens gab es in diesen Ländern Gold und Edelsteine und dann dachten die Königin von Täuschland und auch andere Könige, die aus dem gleichen Holz geschnitzt waren, dass sie nur ein wenig Chaos in diesen Ländern verbreiten müssten: Ein bisschen Unterstützung für böse Buben hier, ein paar Pistolen für andere dort, ein paar kleine Anstöße von den Geheimen Freunden und dann war das Chaos da. Und dann war das Geschrei groß nach der Tschingderassabum-Großen-über-den-Teich-Polizei.

Und dieser neue reiche, grobe Klotz wollte auch gar nicht zuallererst die Königin von Täuschland sehen, ja, man konnte fast glauben, dass er der Meinung war, sie sei _nicht_ die wichtigste Person auf diesem Planeten.

Schließlich aber kam sie dazu, mit dem neuen reichen König zu tele-sprechen und sofort trug sie ihren Hof-Schreiberlingen auf, sie sollten bloß schreiben, wie sehr der neue reiche König die Königin von Täuschland doch mochte, und dass er sie besuchen wollte, und dass sie ihn besuchen könnte, und dass dieses … und dass jenes . . .

Kaum hatten die Schreiberlinge dies so wunderbar berichtet, da fiel den Hofstaatbeobachtern auf, dass die Täuschländer es gar nicht so gut fanden, dass der neue reiche König über den Teich keine Menschen aus dem Morgenland mehr in sein Land lassen wollte. _Daran_ hatte die Königin natürlich _nicht_ gedacht, als sie mit ihm tele-sprach. Also ließ sie flugs verkünden: „Ich finde das auch nicht gut!“

Denn es geht hierbei natürlich nicht um die Menschen aus dem Morgenland, sondern, genau, es geht um Kreuzchen, nur um Kreuzchen. Und, ja, die Königin ist sooo besorgt, wie sie genug Kreuzchen sammeln kann.

Aber sie hat da eine Idee: Wenn sie nämlich, oder ihr Hofstaat, oder ihre Geheimen Freunde, oder die Freunde der Geheimen Freunde, einen der bösen Buben aufsuchten, die sie ja kannten, und diese bösen Buben dann mal wieder etwas ganz, ganz Schreckliches machten in Täuschland, _dann_ wäre wieder diese ganz seltsame Stimmung im Land und dann würden sie und ihre Geheimen Freunde mit ihren Geheime-Freunde-Beweisen irgendeinen bösen Buben ausmachen und erklären:

„Der war‘s!“.

Und wie das dann so geht, würde man diesen bösen Buben dann jagen und bestimmt käme der dann dabei zu Tode

— denn Tote schweigen   b e s s e r.

Und dann könnte sie als starke Königin gegen so etwas angehen und die Gesetze weiter ändern und für mehr Ordnung sorgen und dann, ja dann würden die Täuschländer sie wieder lieben und ihre Kreuzchen für sie machen. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann hat sie vielleicht so manche, noch ganz andere Idee …

© Kirsten Grunau (__EndemannVerlag__)